Natalie Bayer, Leiterin FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum
Spätestens seit den 1970er-Jahren kritisieren Menschen mit Rassismuserfahrungen den Kulturbetrieb. Vor diesem Hintergrund haben Belinda Kazeem-Kamiński, Nora Sternfeld und ich in dem Band „Kuratieren als antirassistische Praxis“ Ansätze einer längst stattfindenden antirassistischen Kulturarbeit versammelt. Wenn Antirassismus zum Thema der Kultur- und Geschichtsarbeit wird, dann muss dies auch antirassistisch kuratiert werden.
Was das Antirassistische am antirassistischen Kuratieren sein kann, haben Mark Terkessidis und ich analysiert: ein Bruch mit den national orientierten Ausgangspunkten des Kulturbetriebs, der immer wieder einen privilegierten „Raum-unter-sich“ schafft. Hierfür sehen wir das kollaborative Kuratieren mit zivilgesellschaftlichen Gruppen und Individuen als geeigneten Ansatz, um Geschichte multiperspektivisch zu gestalten, „unterdrückte Wissensarten“ einzubeziehen und verkrustete Verfahrensweisen zu entroutinisieren.
Beim kollaborativen Kuratieren geht es darum, viel mehr Personen einen Zugang zur Geschichtsarbeit zu ermöglichen und zugleich deren Perspektiven hörbar zu machen. Das bedeutet, sich auf den Prozess vor dem Ausstellungskonzept und vor der Entscheidung, welche Geschichten und Stimmen wie erzählt werden, zu konzentrieren. Ein solcher Ansatz involviert Zeitzeug:innen als Subjekte, die keineswegs nur Opfer, aber auch nicht einfach Held:innen sind. Das antirassistische Kuratieren des Antirassismus entwirft so eine gegenwartsnähere Geschichtskultur und zeigt, wie
Widerstand gegen Benachteiligungen und asymmetrische Machtverhältnisse die Gesellschaft im Schulterschluss mit Kulturarbeit verändern kann.
Der Beitrag ist in einer Sonderbeilage für die taz erschienen am 18.05.2022. Das PDF zur taz-Sonderbeilage kann <hier> heruntergeladen werden.