Das Recht auf ein eigenes Archiv

Elizabeth Ngari und Daniellis Hernandez Calderon. Mehr Informationen unter: www.women-in-exile.net

Dieses Jahr feiern „Women in Exile and Friends“ ihr 20-jähriges Bestehen. Um diesen Meilenstein zu würdigen, haben wir im vergangenen Jahr angefangen, ein Archiv unserer jahrelangen Kämpfe und politischen Arbeit aufzubauen.

Ein Archiv ist ein schönes Projekt, aber uns ist bewusst, dass der Aufbau eines Archivs ein Privileg ist, das nicht jede:r genießt. Aus Erfahrung wissen wir, dass es für Flüchtlingsgruppen sehr schwierig ist, ihre Arbeit zu dokumentieren. Die Dringlichkeit der Kämpfe, die Unsicherheit, der Mangel an Ressourcen, die kleinen Alltagsprobleme lassen keine Zeit, um die eigene Geschichte zu dokumentieren und für die nächsten Generationen zu archivieren. Ein weiterer Grund besteht sicherlich darin, dass viele nur eine Zeit lang aktiv sind und dann andere Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Situation wahrnehmen, wenn sich diese ergeben, und nur noch wenig Zeit für den Aktivismus haben. Mangelnde Kontinuität führt dazu, dass ein Großteil der wertvollen Arbeit, die sie in der Flüchtlingsbewegung geleistet haben, in Vergessenheit gerät. Aus diesem Grund wollen wir eine Plattform schaffen, um unsere Arbeit und die anderer Flüchtlingsgruppen zu archivieren. Wir nehmen das Recht in Anspruch, unser eigenes Archiv zu erstellen.

Aber was für ein Archiv wollen wir und wie gehen wir es an? Welche Dokumente werden aufbewahrt und welche bleiben außen vor? Welche Kategorien wenden wir an, um etwa unsere Fotos zu archivieren? Schränken diese Kategorien andere Erzählungen oder Themen ein, die ebenso in den Bildern vorkommen? Wer entscheidet, welche Dokumente öffentlich sind und was mit ihnen gemacht werden kann? Wollen wir diese Art von Archiv, definiert durch den Staat, der monopolisiert und kontrolliert, oder wollen wir ein Archiv, das demokratisiert und geteilt wird und allen für eine Neukontextualisierung offensteht?

Unsere Aufgabe ist gewaltig, aber wir wissen, dass Geschichte nicht nur das ist, was tatsächlich geschehen ist, sondern auch das, was angeblich geschehen ist – und die Rolle der Archive bei der Konstruktion dieser Geschichte ist von grundlegender Bedeutung. Wir üben das Recht aus, die Archive nicht nur zu nutzen, sondern auch unsere eigenen zu erschaffen, auf der Grundlage unserer eigenen Logik und Kreativität.

Der Beitrag ist in einer Sonderbeilage für die taz erschienen am 18.05.2022. Das PDF zur taz-Sonderbeilage kann <hier> heruntergeladen werden.