Mein Leben, knapp erzählt:
In einer meiner frühesten Erinnerungen stehe ich mit knapp fünf Jahren an einer Wand im Kindergarten und berühre eine wunderschöne, weil bunte Holzperlenkette. Da hängen mehrere Ketten. Ich finde sie alle schön. Ich bin sprachlos. Ich will mich mitteilen, aber ich weiß, dass die anderen meine Sprache nicht verstehen.
Denn die anderen um mich herum sprechen Deutsch. Ich hingegen spreche nur Spanisch.
Ich bin zwar (1968) in Deutschland, genauer in Frankfurt, geboren, aber meine Mutter wollte, dass ich erst richtig Spanisch lerne.
Meine Mutter ist 1964 mit meinem Vater und meinem Bruder aus Spanien in Deutschland eingewandert, ohne es zu wissen. Als Gastarbeiterin hat sie deutsche Böden
geputzt. Als Mutter hat sie uns stets versorgt und oft kluge Entscheidungen getroffen.
Mit einer stabilen Erstsprache konnte ich schließlich bald Deutsch lernen, gar studieren und mittlerweile sogar unterrichten. Deutsch ist zwar der Schlüssel zur Partizipation und Teilhabe in Deutschland. Aber leider auch kein Garant dafür.
Das wiederum weiß ich durch meine Praxis als politische Aktivistin an der Frankfurter Universität, in der FeMigra, im Tiyatro global und bei Kanak Attak, in den späten Achtzigern, Neunzigern und frühen Nullerjahren. Mehr als durch jedes Studium habe ich durch diese Praxis und die damit verbundenen Begegnungen gelernt, kritisch und kreativ zu denken, zu streiten und zu schaffen. Diese Erfahrung prägt bis heute meine Auffassung von Welt und somit auch von meinem Beruf als Lehrerin.
Es gilt, Schule stark zu machen für Vielheit (Danke Mark Terkessidis für diesen Begriff!), damit alle wirkmächtige Bildung erfahren. Das ist schnell gesagt, aber nur sehr mühsam umgesetzt. Denn Didaktik ist zwar eine Wissenschaft, die Lernen verändern kann (Danke Irene Corvacho für alle Erkenntnisse rund um den Fehler!), aber nur, wenn sie reformierend und nachhaltig implementiert wird, ist sie auch politisch (Danke Annita Kalpaka für die Anerkennung dessen!). Daran arbeite ich unermüdlich und stoße oft an Grenzen.
Aber zum Glück hat mir meine Mutter neben Zuversicht auch Esprit und Humor vermacht.
Außerdem habe ich eine tolle Frau und einen tollen volljährigen Sohn. Er macht uns beide sehr stolz. In unserer Familie leben wir, was es heißt, Differenz nicht nur auszuhalten, sondern auch zu lieben, sie beweglich zu halten, ohne sie zu nivellieren. Eine tägliche Übung, die mich stark und zugleich weich macht für alles, was war, ist und noch kommt. Insha‘llah.
Laura Mestre Vives, 29.3.24
